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Service public ist in der Schweiz ein politischer Kampfbegriff, der vor allem im Umfeld der SRG verwendet wird.
In der Schweiz wird der Begriff anders als beispielsweise in Frankreich verwendet.

Als Service public bezeichne ich - im Gegensatz zu unten aufgeführten Sprachregelung - Dienstleistungen, die der Staat den Bewohnern unentgeltlich (das heisst via Steuern finanziert) zur Verfügung stellt. In den Dienstleistungen ist inbesondere enthalten, dass eine entsprechende Infrastruktur entwickelt und unterhalten wird.

Beispiele (in vielen Staaten)
Strassen, Volkschule

Service public-Dienstleistungen werden nach Bedarf beansprucht. Wer kein Kind ist, braucht die Schule nicht.


 

Kampfbegriffe

Als Service public wird in der Schweiz oft eine politisch vereinbarte Grundversorgung der Bevölkerung bezeichnet, die nicht durch Steuergelder, sondern durch Preis, Prämien oder Gebühren bezahlt wird.
Ursprünglich war damit die öffentliche Verwaltung gemeint, dann aber immer mehr private Dienstleistungen, die einer staatlichen Konzession unterliegen.
Die staatliche Konzession scheint mir ein notwendiges Kriterium.

Im Schönsprech des Bundesrates steht überdies: "welche für alle Bevölkerungsschichten und Regionen des Landes nach gleichen Grundsätzen in guter Qualität und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen sollen." (Bericht des Bundesrates "Grundversorgung in der Infrastruktur")

Volkswirtschaftlich ist mehr vom "öffentlichen Sektor" die Rede, womit - auch sehr diffus - neben staatlichen Unternehmen auch Schulen oder Wasserversorgungen gemeint sind.

Der Ausdruck wurde ab 1873 im französischen Verwaltungsrecht benutzt. Das deutsche Verwaltungsrecht verwendet dafür auch den Ausdruck "Daseinsvorsorge".

Kritik:
Es handelt sich um einen hochideologischen Begriff, der je nach Situation sehr verschieden gedeutet wird, aber hauptsächlich Staatsmonopole gegen "Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung" verteidigen soll. Sehr oft wird er zunächst im Kontext der PTT und SBB, und später im Kontext der SRG verwendet.


 

Was alles kann man Service Public bezeichnen?

Der Bundesrat definiert den Service public folgendermassen: «Service public umfasst eine politisch definierte Grundversorgung mit Infrastrukturgütern und Infrastrukturdienstleistungen, welche für alle Bevölkerungsschichten und Regionen des Landes nach gleichen Grundsätzen in guter Qualität und zu angemessenen Preisen zur Verfügung stehen sollen.»
"Zu angemessenen Preisen" ist die Krux, der ÖV könnte beispielsweise gratis sein.

"Mit dieser Definition wird Service public mit Grundversorgung gleichgesetzt und konzentriert sich auf den Infrastrukturbereich mit den Sektoren Post, Telekommunikation, elektronische Medien (Radio und Fernsehen), öffentlicher Verkehr sowie Strassen – soweit im Zuständigkeitsbereich des Bundes.
Energie, Gesundheit, Armee, Internet ... fehlt

Wenn man die begrenzte Sprachregelung des Bundesrates ausser Acht lässt, ist der Ausdruck vieldeutig.

Service hat mindestens zwei verschiedene Bedeutungen. Zum einen bezeichnet Service eine Dienstleistung, die - wenn man von Sklavenhaltung absieht, von welcher Ausdruck hergeleitet wird - gegen meist geringe Bezahlung angeboten wird. Zum andern bedeutet Service eine Unterhaltsfunktion, die gewährleistet sein muss, unabhängig davon wer dafür arbeitet und wer was bezahlt. Wenn ich mein Fahrzeug zum Service bringe, statt den Service selbst zu machen, habe ich diese Differenz realisiert. (Die Wallonen bezeichnen sogar ihre staatliche Verwaltungsbehörde, die eine gewisse Dienstleistung erbringen, als Service statt in Analogie zur Serviertochter.)

Public heisst öffentlich. Öffentlich hat auch verschiedene Bedeutungen, nämlich nicht privat und nicht geheim. Nicht geheim bedeutet, jeder dürfte es sehen. Die Regierungssitzungsprotokolle beispielsweise sind nicht öffentlich, aber natürlich, was die Regierung veröffentlicht.

Nicht privat ist komplizierter, weil es dabei nicht nur darum geht, was gesehen oder gewusst werden kann, sondern auch darum, wer was nutzen darf. Ein öffentliches Verkehrsmittel beispielsweise darf jeder nutzen, der dafür bezahlen kann. Öffentlich bezeichnet dabei die Nutzung, nicht das Angebot, das sehr wohl privat sein kann. Öffentlich sind also auch Hotelsuiten, die pro Nacht 10'000.- Franken kosten, Warenangebote generell.

Öffentlich wird auch für begrenzte Nutzungsrechte verwendet. In Nationalstaat gelten Wahlen als öffentlich, aber nur für Bürger des Staates. Das heisst, man muss keine finanzielle Bedingung erfüllen, sondern eine ganz andere, wie etwa eine Vereinszugehörigkeit, die man nicht selbst wählen kann.

Die andere Seite von öffentlich betrifft die Finanzierung und die Besitzverhältnisse. Wenn der Staat Eigentümer einer Infrastruktur oder Anbieter eines Dienstes ist, handelt es sich um öffentliche Angebote. Die SRG beispielsweise gilt nicht als privater Anbieter, obwohl sie ein privater Verein ist, dem eine ziemlich grosse Unabhängigkeit zugestanden wird.

Als öffentlich gilt auch die Allmend, die ursprünglich weder Eigentümer noch Besitzer hatte. In diesem Sinne könnte auch die Atemluft als öffentlich aufgefasst werden. Das Wasser aber, das vom Himmel fällt oder aus dem Grund gepumpt wird, ist nicht öffentlich, weil es an Grundeigentum gebunden wird. Nestle, ein privater Anbieter, verkauft Wasser als Ware für alle, die es sich leisten können, nachdem Nestle dafür gesorgt hat, dass das Wasser nicht öffentlich ist.


 
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[Hist. Lexikon]
[Expansion der SRG einschränken - Debatte um Service public]
[Tamedia-und-Goldbach]
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