Muttersprache        zurück ]      [ Stichworte ]      [ Die Hyper-Bibliothek ]      [ Systemtheorie ]         [ Meine Bücher ]         [ Meine Blogs ]
 
bild

Muttersprache ist ein Euphemismus (wie "Gast"arbeiter oder Arbeit"geber"), der "Mutter" vortäuscht, wo Herrschaftsdiskurs gemeint ist.

Als ich als Kleinkind zu sprechen begann, sagte ich beispielsweise das Wort "Wauwau" ohne zu wissen, dass es ein Wort ist, aber mit der Zeit wissend, wann ich Wauwau sagen kann, ohne dass ich korrigiert werde. Wenn ich zusammen mit meiner Mutter angesichts einer Katze Wauwau sagte, hat sie reklamiert. Natürlich musste ich merken können, worauf sich ihre Reklamation bezog. Ich lernte so die Sprache meiner Mutter kennen, ganz ohne zu wissen, was ich dabei lernte. Es handelte sich um eine Art mimetische Erziehung, die gerne als Sozialisation bezeichnet wird, was sagen soll, dass es nicht um die Sprache der Mutter geht, sondern darum so zu sprechen, wie überhaupt gesprochen wird.

Als Muttersprache bezeichne ich - in Anlehnung an eine unsinnige Konvention - die Sprache, in die ich hineingewachsen bin. Die englische Entsprechung native Language (Native Speaker) drückt besser aus, dass es sich um einen autopoietischen Prozess handelt, in welchem die Rolle der Mutter nur historisch - durch die Epoche der bürgerlichen Kleinfamilie mit Frau am Herd - wichtig scheint.

Als Muttersprache bezeichne ich immer eine jeweils bestimmte Sprache. Ich lerne sprechen, indem ich eine Sprache lerne.
Schreiben muss ich als Tätigkeit jenseits einer Sprache lernen. Ich lerne dabei aber eine Schrift.

Muttersprache
Mutter zum Kind: "Du musst die Wörter so benutzen, wie ich es tue, sonst kriegst Du weder Essen noch Liebe von mir."
Kind: "Woher weisst Du denn, wie man Wörter benutzen muss?"
Mutter: "Mein Vater hat es mir beigebracht?"
Kind: "Auch mit Drohungen?"
Mutter schweigt.
Kind: "Und woher wusste es Dein Vater? Hat er es auch in der Volksschule lernen müssen?"
Mutter: "Mein Vater ging noch nicht zur Schule. Er hat es von seiner Mutter gelernt."
Kind: "Hat sie ihm auch gedroht?"
Mutter schweigt.
Kind: "Und woher wusste es seine Mutter?"
Mutter: "Schluss jetzt. Es ist wichtig und damit Schluss!"
Kind: "Für wen ist es wichtig, dass ich so spreche wie Du?"

Warum lernte ich meine Muttersprache ganz leicht und Fremdsprachen auch mit grossem Aufwand nie? In der Muttersprache lebte ich, ich brauchte sie. Und zwar nicht erst später, an der Hochschule oder im Job. Wenn ich an einen Ort leben würde, an dem eine andere Sprache gesprochen wird, würde ich diese andere Sprache (vielleicht) brauchen und lernen. Daraus leitet sich ja auch der sogenannte Fremdsprachenlern-Aufenthalt in anderen Sprachregionen ab.

?? Antiker Vortrag, gute Frage: Warum lernen Kinder das Sprechen "einfach so", müssen aber zum Lernen von Schreiben und Lesen in die Schule, obwohl das Schreiben und Lesen doch eigentlich leichter sein sollte als das Sprechen? (19:26)?


 
[wp]