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Ich unterscheide Legasthenie im engeren Sinne (klassisch als Störung/Behinderung) und eine "umfassender aufgefasste Legasthenie" (nicht realisiertes Potential). Der Ausdruck Legasthenie wird zunehmend durch andere Ausdrücke ersetzt (im Englischen gibt es gar kein Wort dafür), er war aber wichtig für die Anerkennung von entsprechenden Rechten im Rahmen von Ausbildungen. (Orthografie)


Legasthenie als Störung/Behinderung / (
Legasthenie" als nicht realisiertes Potential)

Legasthenie bedeutet quasi-etymologisch "Leseschwäche" und zeigt sich (anderen) als Schreibschwäche, beispielsweise im Auslassen, Verdrehen oder Hinzufügen von Wörtern oder Wortteilen bei normalem Seh- und Hörvermögen und bei normaler Intelligenz der betroffenen Person. Damit verbundene Probleme im Leseverständnis werden als Dyslexie bezeichnet.

Gesellschaftliche Einschätzung und empirische Befunde

Legasthenie ist ein Konstrukt, das auf einer spezifischen Isolation von bestimmten Fähigkeiten beruht, die durch die Schule relevant gemacht werden. Die Schule beruht auf Lesen und Schreiben. Wer genau diese Fähigkeiten nicht gut entwickeln kann, versagt in der Schule - und weil die Schule eine politische Machtstellung hat (Numerus clausus), oft auch später im Erwerb von angemessenem Einkommen und sozialem Ansehen, was auf Selbstwertgefühle zurückwirken kann.

Alle, die das Lesen und Schreiben erlernen, machen anfänglich die gleichen Fehler in verschieden starkem Ausmass. Bei den meisten nehmen die Fehler jedoch sehr rasch ab und verschwinden schliesslich weitgehend. Einige (oder viele) machen die Fehler wesentlich häufiger und vor allem hören sie damit auch nach einer längeren Schulung nicht auf. Die einschlägigen Fehler lassen kaum Konstanz erkennen: Weder ist es möglich, stabile Fehlerprofile zu ermitteln, noch gibt es eine bestimmte Systematik der Fehler. Ein und dasselbe Wort wird immer wieder unterschiedlich falsch geschrieben.

Seit 1980 wird Legasthenie (bildungs)rechtlich als spezifische Störung anerkannt, was bedeutet, dass Legasthenie diagnostiziert und in den Schulen bei Bewertungen berücksichtigt werden kann. Die Volksschulen geben auch spezifische heilpädagogische Unterstützungen, was allerdings meisten nur sehr beschränkte Wirkung zeigt.

Das Konstrukt Legasthenie beruht darauf, dass die Legastheniker einen normal(verteilt)en IQ haben, während Menschen mit tiefem IQ genau dieselben Fehler machen, aber eben auch alle anderen IQ-Fähigkeiten nicht entwickeln können.
Volksdümmlich könnte man sagen, dass die Legastheniker nur sehr spezifisch dumm sind, während die Dummen eine sehr allgemeins Legasthenie haben.

Weil sehr unklar ist, was hinter den Symptomen steckt, werden die Symptome - mit eher schlechtem Erfolg - behandelt. Wenn man konkrete Ursachen erkennt, behandelt man mit mehr Erfolg diese Ursachen, was dann nur noch ungefähr einer Behandlung von "Legasthenie" entspricht und dementsprechend vielfältige Begriffe verwendet (ADHS, Logopädie, ...).


Legasthenie" als nicht realisiertes Potential / (
Legasthenie als Störung/Behinderung)

R. Davis entwickelte ein alternatives Verständnis, in welchem vereinfacht gesagt werden kann, dass Legastheniker "anders wahrnehmen". Oft ist bei legasthenen Menschen das bildhafte und räumliche Vorstellungsvermögen stark ausgeprägt. Sie denken mehr in Bildern als in Worten, haben oft eine gute Intuition und die Fähigkeit zur Selbsterkenntnis, sie sind sich ihrer Umgebung in hohem Masse bewusst und sind oft sehr kreativ und musisch begabt (Quelle: http://www.lernförderungspraxis.ch/).

Das "andere Wahrnehmen" führt im Fall der Legastheniker dazu, dass sie in der Schule trotz - oder vielmehr wegen ihrer Talente den Anforderungen nicht gerecht werden. Schulverleider, auffälliges Verhalten in Form von Aggressionen oder depressiven Verstimmungen sind nicht selten Folge der ursächlichen Schwierigkeiten und belasten auch das Umfeld. Diese negative Seite bildet das Krankheitsbild, das von aussen beobachtbar ist.

Das "andere Wahrnehmen" passt nicht zu den sozialen Erwartungen und Gewohnheiten, was bei den Betroffenen oft zu Irritationen und Konfussionen führt, in welchen sie ihr Verhalten - an sehr spezifischen Orten, wie etwa dem Anordnen von Buchstaben - nicht mehr rational steuern, was sich eben beispielsweise in Schreibfehlern niederschlägt, die als Legasthenie bezeichnet werden. Die legasthenischen Schreibfehler werden so Symptom verstanden. Die Ursache ist nicht text-bezogen, sondern zeigt sich dort speziell auffällig, weil Text einerseits eine sehr lineare und andrerseits eine schulisch-gesellschaftlich hoch relevante Sache ist.
Da der Ausdruck "Legasthenie" hauptsächlich auf Text verweist und so von den Ursachen - die auch im Konstrukt ADHS ähnlich begriffen werden - ablenkt, wird er zunehmend weniger verwendet.

Neue Behandlungsmethoden: Lernförderung

(kommt bald) ...


 
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