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Evolutionstheorie im Buch Todesco, R: Geld

S. 9
Auch die Münzen, die ich im Portemonnaie habe, erscheinen mir als unentwickelte Form des Geldes, deren Andeutungen auf höher entwickeltes Geld ich nur verstehen kann, weil ich entwickelteres Geld schon kenne. Einer Münze kann ich weder ansehen, dass sie Geld ist, noch wie sich Geld entwickelt oder entwickelt hat. Ich muss vielmehr eine bestimmte Entwicklung des Geldes voraussetzen, also bereits kennen, um Münzen überhaupt als Geld zu erkennen, zumal mir auf einer entwickelteren Stufe Geld gar nicht mehr in Form von Münzen und Noten erscheint. Würde ich nur Geldmünzen kennen, also in der Steinzeit des Geldes leben, könnte ich mir Hypothekarmarktkrisen, die die Weltwirtschaft erschüttern, nicht vorstellen, schon weil ich mir die dazu nötige Menge von Münzen gar nicht vorstellen kann. Erst das Buchgeld der heutigen Banken lässt mich rückblickend auch adäquat verstehen, was Goldmünzen re-präsentieren und welche Potenziale sie als Geld enthalten.

Ich bezeichne das kategoriale Zurückblicken, in welchem ich immer schon weiss, was geworden ist, ohne dies je aus früheren Stadien vorhersagen oder begründen zu können, als Evolutionstheorie, also als Entwicklungsgeschichten, in welchen rückblickend Sichtweisen entfaltet werden.

S. 18
In meiner Modellierung begreife ich Geld in seiner letzten Entwicklungsstufe als Differenz zwischen Geld und Kredit, und Geld insgesamt wird dabei so unwahrscheinlich wie es Kurantgeld, das seinen eigenen Wert repräsentiert, immer gewesen ist. Auf dieser Stufe erscheint Geld als Ideologie, also als unvermeidliche Illusionen eines notwendig falschen Bewusstseins, dessen Notwendigkeit sich durch die Rationalisierung einer Praxis ergibt. Wenn ich Kredit in jeder Hinsicht wie Geld verwenden kann, muss ich paradoxerweise akzeptieren, dass Kredite Geld sind. Dann aber verwende ich den Ausdruck Geld nicht mehr für Geld, sondern für einen Deutungszusammenhang, in welchem Geld aufgehoben ist. Meine Darstellung lässt sich in diesem Sinne auch als eine Geschichte über die evolutionäre Aufhebung des Geldes lesen, in welcher die Entwicklung des Geldes dazu führt, dass Geld als Giralgeld seine Bedeutung zugunsten des Kredites völlig verliert, aber gerade deshalb möglich macht, dass nun Kredite in Form von Giralgeld als Geld bezeichnet werden.

Zu Evolutionsgeschichten gehört, dass rezente Formen des Evolutionären in der Aufhebung nicht verschwinden müssen. In der biologischen Evolution beispielsweise gibt es neben der jüngsten Entwicklung in Form von Menschen allerlei rezente Arten wie Mammuts und Elefanten, die nur zum Teil ausgestorben sind. Als Evolution bezeichne ich ganz besonders die Vorstellung, dass ich Mensch und Tier einander gegenüberstelle, gerade weil sie unter evolutionären Gesichtspunkten dasselbe in verschiedenen Formen sind. Obwohl der Mensch in dieser Differenz kein Tier ist, sage ich beispielsweise, dass er ein werkzeugherstellendes Tier sei.

In der Evolution des Geldes gibt es in der vorliegenden Geschichte im Giralgeld aufgehobene rezente Arten wie kurante Goldmünzen und Banknoten, mit welchen ich meine Darstellung des sich in neuen Qualitäten verflüchtigenden Geldes beginne.

S. 47
Wenn ich von einer Autopoiese spreche, bezeichne ich in gewisser Hinsicht einen spezifischen Moment einer dort geteilten Entwicklung. Wenn ich beispielsweise von der Entwicklung des Menschen spreche, unterscheide ich in diesem Sinne eine naturhistorische Entwicklung innerhalb des Tierreiches, die mit dem Auftreten des Menschen abgeschlossen ist, und eine sozialhistorisch Entwicklung des Menschen, die mit dem Auftreten des Menschen beginnt und in welcher sich nicht mehr der Mensch, sondern dessen Lebensverhältnisse als Kul¬tur entwickeln. Menschen kann ich beispielsweise - wenn mir das gefällt - als toolmaking animals sehen. Dann beobachte ich im Tierreich eine Entwicklung hin zur Verwendung von Objekten, welche am Schluss den Menschen als Herstellenden hervorbringt, und eine zweite Entwicklung, in welcher sich die Menschen dadurch entwickeln, dass sie ihre Werkzeuge entwickeln.

Die Autopoiese des Geldes durchläuft evolutionstheoretisch eine Entwicklung verschiedener Wertformen, welche eigentliches Geld hervorbringt, und eine daran anschliessende Entwicklung des Geldes als Entwicklung gesellschaftlicher Praxis, in welcher Geld verschiedene Formen annimmt. Bevor Geld als Geld erscheint, erscheint es in Form von Kurantmünzen quasi als Proto-Geld, wie etwa Australopithecinen oder Neandertaler im Tier-Mensch-Übergangsfeld rückblickend als Proto-Menschen gesehen werden können. Das Präfix „Proto“ verwende ich in diesem Sinne für „eigentlich noch nicht“. Und in diesem Sinne kann ich sagen, dass Kurantgeld existiert, aber eben nicht als eigentliches Geld.

FN: In naturhistorischen Zeiträumen mag sich unter evolutionstheoretischen Gesichtspunkten natürlich auch der Mensch weiterentwickeln, aber im historischen Zeitraum kann ich keinerlei Entwicklung des Menschen als biologisches Wesen erkennen. Ich wüsste nicht, inwiefern ich „entwickelter“ sein sollte als beispielsweise die „alten Griechen“, deren Philosophen auch zeigen, dass nicht ernsthaft von einer geistigen Weiterentwicklung gesprochen werden kann. Was wir früheren Generationen voraus haben, sind Maschinen wie das Internet.


 
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