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Wahl des Systems

Natürlich kan ich mich fragen, wieso das Thermometer in meiner Wohnung eine bestimmte Temperatur hat. Das ist aber eine andere Frage, als die Frage nach dem Grund der konstanten Raumtemperatur. Es sind zwei verschiedene Phänomene, die ich beobachte. Und natürlich kann ich für beide Phänomen Erklärungen konstruieren. Wesentlich im Sinne der Systemtheorie ist, dass ich mir als Beobachter bewusst mache, was ich erkläre und wo ich zusätzliche ungeprüfte Hypothesen verwende.

Das, was den Regelungsbedarf eines Systems verursacht, nenne ich Perturbation. Den Ausdruck "Perturbation" verwende ich, weil der Ausdruck "Störung" oft negativ konnotiert ist, im Falle von Regelung aber natürlich eine wertfreie Störung gemeint ist. Meine Heizung bevorzugt weder "schlechter" noch "gutes" Wetter. Und das Thermometer hat auch nicht lieber, wenn es eine bestimmte Temperatur anzeigen darf. Perturbation nenne ich ein Signal, das in einem System zu Kompensation führt.

Die Perturbation kann ich als Einfluss der Umwelt sehen oder als Zustand des Systems selbst. Das ändert an der Funktionsweise des Systems nichts. Aber mein Gegenstand ändert sich, wenn ich die Um-Welt des Systems einbeziehe. Der sprichwörtliche Fisch weiss vom Wasser nichts, in welchem er schwimmt. Der aussenstehende Beobachter dagegen sieht das Aquarium und den Fisch. Meine Körpertemperatur kann beispielsweise in einer heissen Badewanne steigen, so dass mein Körper mit einer Erweiterung der Blutgefässe reagiert. Mein Körper weiss aber von der Badewanne nichts, er reagiert auf seine Temperatur. Nur ich als aussenstehender Beobachter weiss, dass ich in der Badewanne liege. Als Beobachter kann ich - systemtheoretisch gesehen - die Funktionsweise des Körpers oder die Funktionsweise des Badewannen-Aquariums beobachten. In der Badewanne verändert sich die Temperatur allenfalls so, dass die darin liegenden Fische wärmer und das Wasser kälter wird.

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Ich kann jede Um-Welt kann durch eine neue Wahl des Systems integrieren. Klassischerweise beschreibe ich diesen Zusammenhang quasi umgekehrt damit, dass ich Sub-Systeme bilde. Subsysteme sind Entitäten, die ich systemtheoretisch individuell beobachten kann.


Systemgrenze

Als Systeme bezeichne ich operationell geschlossene Mechanismen, die ich in Erklärungen von Phänomenen verwende. Ich wähle das System also jeweils so, dass die Operationen des System Reaktionen auf den Systemzustand sind. Genau unter diesem Gesichtspunkt wähle ich die Systemgrenzen - wie ich exemplarisch bereits unter Feedback erläutert habe (Anmerkung 1).

Wenn ich beispielsweise das Phänomen einer konstanten Raumtemperatur mittels einer thermostatengeregelten Heizung erkläre, rekonstruiere ich die Heizung als System. Ueber den Umfang einer Heizung spreche ich verschieden, je nachdem ob ich sie zum Heizen oder zum Erklären verwende. Wenn ich eine thermostatengeregelte Heizung kaufe, wenn ich also heizen will, steht im Kaufvertrag, was zur Heizung gehört und was nicht. Dort muss etwa festgelegt werden, ob die Kaminkonstruktion und Oelzuleitungsstutzen in der Hauswand und diverser Kleinkram, wie Stromkabel und die Schrauben, mit welchen die Heizung im Haus verankert wird, zur Heizung gehören oder als Zusatzaufwände berechnet werden. Wenn ich die Heizung zum Erklären verwende, stelle ich mir solche Fragen nicht, dann ziehe ich andere Grenzen.

Die Grenzen des System sind operativ bestimmt. Eine Heizung beispielsweise sehe ich unter diesem Gesichtspunkt als eine funktionale Einheit, mit welcher ich in einem Energiefluss die Form der Energie so manipuliere, dass die Raumtemperatur konstant bleibt. Die Heizung verwandelt beispielsweise einfliessendes Erdöl geregelt in abfliessende Warmluft. Ich betrachte die Heizung als Teil dieses Energieflusses, nicht umgekehrt. Wenn ich die Heizung als System verwende, beschreibe ich, wie die Energie umgewandelt wird. Die Energie setze ich voraus, wie ich als Konstrukteur einer Oelheizung voraussetze, dass es Heizoel gibt.

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Als operatives Kriterium für die Systemgrenzen sehe ich die Energieumwandlungen selbst. Als System sehe ich unter diesem Gesichtspunkt den Mechanismus, der diese Umwandlung und deren Regelung repräsentiert. Ich betrachte dabei die primäre und die sekundäre Energie getrennt. An der Umwandlung der primären Energie bin ich funktional interessiert. Bei meiner Heizung etwa ist die Energie als Heizoel im Tank und als Wärme in den Radiatoren, was eben der Funktion der Heizung entspricht. Die Umwandlung selbst passiert - etwas vereinfacht gesagt - im Oelbrenner. Der Oeltank und die Radiatoren "strecken" diesen Prozess aus praktischen Gründen (Anmerkung 2). Im Prinzip könnte ich meine Wohnung auch heizen, indem ich in meiner Wohnung eine offene Flamme am Ende einer Oelleitung direkt aus einem Oelfeld von Hand reguliere. Alles, was ich als Mechanismus dazwischen baue, macht das Verfahren effizienter oder effektiver.

Unter konstruktiven Gesichtspunkten besteht die Heizung natürlich - wie jene, die ich kaufe - aus dem Material, das ich für sie brauche. Der Oelbrenner und der Thermostat gehören zur Heizung. Der Keller, in welchem die Heizung steht, und das Heizoel, das ich zum Heizen brauche, gehören nicht zur Heizung. Und natürlich gehört auch die Raumluft, die ich mit der Heizung erwärme, nicht zur Heizung. Das Thermometer gehört zum Syststem, weil es ein Teil des hergestellten Mechanismus darstellt. Konstruktiv ziehe ich die Systemgrenzen dort, wo die primären und die sekundären Energiekreise unterbrochen sind. Zur Heizung gehört also beispielsweise der Oeleinfüllstutzen bis zum Ventil, und zum Thermostaten gehört das Stromkabel bis zur Steckdose (Anmerkung 3). Operativ ziehe ich die Grenze dort, wo die operative Energie ihre Quelle hat. Dem Thermostaten führe ich "konstruktiv" Energie zu, dem Termometer dagegen nicht, denn der Thermostat bekommt auf konstruiertem Weg ein Signal vom Thermomther, das Thermometer dagegen bekommt kein Signal. Im Falle der Heizung erschöpft sich die Aktorseite des Systems im Heiss-Sein. Im Falle von Heron's Tempeltüröffner wird die Wärme nochmals in Bewegung umgesetzt.

Systemtheoretisch ziehe ich Grenze dort, wo ich Zustände des Mechanismus unterscheide. Wenn ein betimmtes Ventil in der Oelleitung offen ist, fliesst Oel in dieser Leitung. Dann ist gleichgültig, wie lange diese Leitung ist. Indem ich den Zustand des Ventils oder der Leitung als Variable beobachte, bestimme ich sie als Teile des Systems (Anmerkung 4).

Man kann die Systemgrenze auf ein einfaches Verhältnis reduzieren, wenn man Systeme als universelle Maschinen bezeichnet und nur vom Steuerungsmechanismus spricht. Die Systemgrenze ist dann durch die sogenannten Input- und Outputstellen in Form von Signalen gegeben. In meinem Beispiel wäre dann etwa nur vom Thermostaten die Rede. Dass er im Dienste einer Heizung steht, würde ausgeklammert werden. Ich werde später darauf zurückkommen, wenn ich formale Systeme beschreibe.


Anweisungen:

Ueberlege anhand von Systemen, wo Du die Grenze ziehst.

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Es geht hier vor allem darum, sich den Unterschied zwischen der Wahl eines Systems und der Wahl der Grenzen eines gewählten Systems bewusst zu machen.


 

Beispiel:
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Metakommunikation

Von operationelle Geschlossenheit kann ich sinnigerweise nur sprechen, wenn mir klar ist, was zum System gehört und was nicht. Da ich Kommunikation als konstitutiv für Systeme betrachte, wähle ich die Grenzen jeweils den kommunikativen Bedürfnissen entsprechend.


 
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