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System Dynamics

System Dynamics heisst eine Methodologie, die Anfang der 1960er Jahre von J. Forrester entwickelt wurde. Unter konstruktiver Perspektive beschreibt die System Dynamics, wie das Verhalten der in der Kybernetik beschriebenen Regelkreise quantitativ simuliert werden kann. Populär wurden die dabei entwickelten Methoden und Werkzeuge durch den 1972 erschienenen Bericht The Limits to Growth (dt.: Grenzen des Wachstums) des Club of Rome, in welchem - unter deutender Perspektive - eine Simulation des Resourcenhaushalts der Erde dargestellt wurde (Anmerkung 1).

Das nebenstehende Schema zeigt qualitativ, wie eine thermostatengeregelte Heizung funktioniert. Auf dem Schema ist aber nicht ersichtlich, wann es im Hause wie warm ist. Ich kann sehen, dass die Heizung regelt, aber wenn die Heizung schlecht ausgelegt ist, kann es eventuell ein ganzes Jahr dauern, bis die Solltemperatur erreicht wird, nachdem die Aussentemperatur einmal unter Null gefallen ist. Was ein "System" praktisch - also auch als konkreter Automat - taugt, ist auch eine quantitative Frage (Anmerkung 2).

Als Lehre beschreibt die System Dynamics Simulationen, die ein Systemverhalten sichtbar machen. Ein typisches Resultat wäre etwa eine Liste, die beispielsweise die Temperatur des Thermometers einer Heizung im stundentakt zeigt, nachdem entweder der Sollwert oder die Aussentemperatur verändert wurde. Dabei werden Engpässe im System und das Ueberschreiten von kritischen Grenzen, die zu Verzögerungen oder gar zum Systemkollaps führen, erkennbar, die in nur qualitativen Modellen versteckt bleiben. J. Forrester bezeichnet die Resultate der System Dynamics in dem Sinne als kontra-intuitiv, als sie zeigen können, dass eine qualitativ richtige Erklärung in konkreten Fällen als Erklärung versagt, weil sie zu ganz unerwarteten Ergebnissen führen kann. In diesen Fällen funktioniert das System im Prinzip richtig, aber eben nur im Prinzip. Was nützt eine Heizung, die ein Haus erst auf die richtige Temperatur bringt, wenn die Bewohner längstens erfroren sind?

Wie die Regelung in Automaten quantitativ verläuft, hängt von verschiedenen Gesetzmässigkeiten und Parametern in den einzelnen Bauteilen ab. In der System Dynamics werden die Regelkreise durch Formeln beschrieben, so dass der zeitliche Verlauf der Zustände berechnet - oder eben auf dem Computer simuliert - werden kann.

Annahme: Die Innentemperatur ist um 13.00 bei 20 Grad, die Aussentemperatur fällt aufgrund eines Schneesturmes schlagartig von 14 Grad auf 3 Grad unter Null.

Gute Heizung

Zeit        Temperatur
14.00     18 Grad
15.00     19 Grad
16.00     20 Grad
17.00     21 Grad
18.00     20 Grad
19.00     20 Grad
20.00     20 Grad

Schlechte Heizung

Zeit        Temperatur
14.00     18 Grad
15.00     16 Grad
16.00     15 Grad
17.00     14 Grad
18.00     15 Grad
19.00     16 Grad
20.00     17 Grad

Natürlich hängt die Temperatur nicht nur von der Heizung ab. Die Isolation des Hauses, offene Fenster und so weiter spielen auch eine Rolle.

Die System Dynamics im engeren Sinne wurde an der Sloan School of Management des Massachusetts Institute of Technology als Management-Wissenschaft entwickelt. Ich bezeichne hier aber stark vereinfacht alle Verfahren der Systemsimulation als System Dynamics, um sie als Methoden von der Theorie zu unterscheiden. Ich unterscheide drei Fälle, in welchen ich System Dynamics verwende:

1.

als Ingenieur untersuche ich, ob oder mit welchen Parametern ein bestimmter Automat eine bestimmte Leistung bringen wird. Das ist der Herkunftsort der System Dynamics. Systemdynamics ist in der Technologie eine kaum wahrgenommene Selbstverständlichkeit. Im deutschen Sprachraum ist oft auch von Automatik oder Regelungstechnik die Rede, was auch als Synonym zu Systemtheorie behandelt wird. Wenn ich die Funktionsweise von einem Mechanismus mit einem Mechanismus "erkläre", brauche ich gar keine Theorie. Deshalb ist die Sprache der Ingenieure diesbezüglich ohne Differenzierungen.

2.

als Meteorologe modelliere ich "das Wetter", ohne mir dabei einzubilden, dass ich dem Wetter einen Sollwert setzen könnte, es geht mir dabei praktisch allenfalls um Prognosen, an welchen ich mein Verhalten ausrichten kann.

3.

als Manager modelliere ich Geschäftsfälle, die ich als beeinflussbar betrachte. Das ist in gewisser Hinsicht der Zielort der System Dynamics, die so suggeriert, dass Geschäftsfälle hinreichend oft wie Maschinen laufen - wobei die Vermittlung der Abweichungen über statistische Verteilungen gerechnet wird.

In allen drei Fällen konstruiere ich dynamische Modelle, mit welchem ich den Systemprozess simulieren kann.


 

Metakommunikation

Ich verstehe die System Dynamics als Inversion der Erklärung. System Dynamics untersucht welche Phänomene mit einem gegebenen System erzeugbar sind. Der Ausdruck "System Dynamics" referenziert die Dynamik von Systemen, anstelle einer Beschreibung (einer Logie) dieser Dynamik . Im deutschen Sprachraum wird System Dynamics - insbesondere in den Ingenieurswissenschaften - oft mit Systemtheorie oder mit Kybernetik identifiziert. System Dynamics ist aber keine Theorie, sondern eine Modellierungs-Lehre, die die Systemtheorie voraussetzt oder impliziert.


 
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