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Selbstreferenz und Paradoxie

Da ich in der 2. Ordnung Aussagen über Systeme mache, die mich als Beobachter selbst betreffen, stecke ich in einer Art Zirkularität, wenn ich über Beobachteroperationen spreche (Anmerkung 1).

Selbstreferenz kann man als eine logische Herausforderung sehen. Es gibt berühmte Mathematiker wie etwa B. Russell, die jahrelang versuchten, Paradoxien aufzulösen, die sie selbst formuliert haben. Alle eigentlichen Paradoxien beruhen auf einer selbstbezüglichen Aussage, wobei der Beobachter, der die Aussage macht, ausgeblendet wird, wodurch die Paradoxien überhaupt entstehen. B. Russell etwa lässt in einer klassischen Variante der Paradoxie einen Barbier sagen, er rasiere alle Männer im Dorf, die sich nicht selbst rasieren. Nun kenne ich aber keinen Barbier auf der ganzen Welt, der das ernsthaft sagen und meinen würde. Die Aussage stammt von B. Russell, der aber natürlich auch nicht dazu steht, sondern eben einen nicht existierenden Barbier vorschiebt. Alle Paradoxien sind fiktiv.

Ich will die Selbstreferenz anhand von C. Escher's Bild Galerie erläutern. C. Escher zeichnete die Galerie so, dass ich nicht entscheiden kann, ob der junge Mann, der in der Galerie steht, Subjekt oder Objekt seiner Bildbetrachtung ist. C. Escher hat sein Bild aus einem blinden Fleck heraus gezeichnet, so dass der Junge, der in der Galerie steht, das Bild sehen kann, auf welchem er selbst in der Galerie zu sehen ist. Das Bild von C. Escher erscheint paradox, wenn ich mir nicht bewusst halte, dass ich ein Bild betrachte. Quasi innerhalb des Bildes - also jenseits des Bildbetrachters - "sieht" ein Junge, der natürlich sowenig existiert, wie B. Russell's Barbier, sich selbst auf einem Bild, das ihn enthält.

C. Escher kann den Jungen zeichnen, weil er den blinden Fleck sichtbar macht, der für diese Darstellung notwendig ist. Während ich als Beobachter meinen blinden Flecke gerade nicht sehe, also nicht sehe, was ich nicht sehe, verwendet C. Escher die kybernetische Analyse ganz im Sinne der Kybernetik als Konstruktionsanweisung für ein geniales Bild.

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In der 1. Ordnung beobachte ich die Welt von aussen. Ich beobachte also - um im Ausdruck von C. Eschers Bild zu bleiben - in meiner Um-Welt - zu welcher ich selbst tautologischerweise nicht gehöre, weil sie als Um-Welt um mich herum ist - Häuser, Schiffe, Brücken, Menschen usw. In dieser Hinsicht interessiert mich nicht, dass ich beobachte, sondern was ich beobachte. In dieser Hinsicht sehe ich eine Stadt, aber ich sehe nicht, dass ich die Stadt sehe. Die Häusermenge erscheint mir deshalb als Objekt. Ich sehe meinen Um-Welt als objektiv vorhandene.


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Natürlich kann ich mir bewusst machen, dass ich die Welt beobachtet. Dabei interessiert mich nicht, was ich auf der Objektebene sehe, sondern dass die Objekte, die ich sehe, Objekte eines Beobachters sind. Würde ich nicht beobachten, würde ich keine Objekte wahrnehmen. Die Stadt - und in C. Eschers Bild die Abbildung der Stadt in der Gallerie - ist ein Objekt in den Augen eines Beobachters. Und wenn ich einen Beobachter beobachte, ist er - wie jedes andere Objekt - ein Objekt in meinen Augen.

In der 2. Ordnung beobachte ich quasi mein eigenes Beobachten. Ich trete dabei quasi aus dem Bild heraus und nehme die Perspektive ein, die ich gegenüber C. Escher's Galerie als Bildbetrachter habe. Der junge Mann im Bild erscheint mir dann beispielsweise als Selbstbildnis von C. Escher, welches ich als Bild sehr wohl vom Konstrukteur des Bildes unterscheiden kann. Ich sehe also keinen sich sehenden Menschen, sondern ein Bild von einem sich sehenden Menschen. Vor allem sehe ich aber auch den blinden Fleck, der nötig ist, damit der abgebildete Mensch sich selbst so sehen kann. Als Bildbetrachter sehe ich den blinden Fleck im Bild, den der Junge im Bild nicht sehen kann. Ich kann als quasi sehen, wie die vermeintliche Paradoxie zustande kommt, weil ich sehe, wie sie konstruiert wurde.


    
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In der 2. Ordnung beobachte ich die Unterscheidungen, die einer Beobachtung zugrunde liegen. Wenn ich mich als Systemtheoretiker beobachte, geht es mir darum, die systemtheoretische Perspektive selbstbezüglich auszuloten, indem ich die Unterscheidungen, die ich in der Systemtheorie verwende, beobachte. Ich wende also das kategorielle Konzept meiner Systemtheorie selbstreferentiell auf mich als Beobachter an. Ich sehe darin die beste (radikalste) Kritik am systemtheoretischen Denken. Wenn ich meine Unterscheidungen beobachte, verwende ich natürlich wiederum Unterscheidungen, die ich auch wieder beobachten kann. Ich beginne mit der 2. Ordnung also eine endlose Rekursion von selbstreferetiellen Beobachtungen. C. Eschers Darstellung erscheint mir formal äquivalent zu dieser Rekursion, sein blinder Fleck verdoppelt sich beliebig oft in sich selbst.

In der 2. Ordnung beschreibe ich mich, indem ich beschreibe, wie ich meine Welt für wahr nehme. Die Selbstdarstellung in der 2. Ordnung zeigt also nicht vorab, wie ich von aussen gesehen erscheine, sondern welche Welt ich mir konstruiere, wobei ich mich natürlich als Teil der Welt fürwahrnehmen kann, wie der Junge in C. Escher's Galerie auch sich selbst sehen kann. In der 2. Ordnung erkenne ich mich, indem ich erkenne, wie ich die Welt sehe. Meine Welt reflektiert mir mein Wesen (Anmerkung 2). Unter Reflexion verstehe ich, dass ich ein Bild von mir zurückkriege, wie wenn ich in einen Spiegel schaue. Meine Aeusserungen über die Welt bilden quasi einen Hyperspiegel, der nicht zeigt, wie die Welt wirklich ist, sondern wie ich sie für wahr nehme. In einem eigentlichen Spiegel oder auf einem Video sehe ich mehr von mir, als jede äussere Beschreibung mir zeigen kann. Und wenn ich zuhöre, was ich über die Welt sage, sehe ich mehr von mir als in jedem Spiegel, der mir nur meine Oberfläche zeigt. Die Systemtheorie 2. Ordnung ist für mich also eine Art Werkzeug für Selbstbeobachtung - auch wenn ich meinen blinden Fleck sowenig überwinden kann, wie ich mir selbst in die Augen schauen kann.


 

Metakommunikation

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Durch die Selbstreferenz der Systemtheorie 2.Ordnung beschreibe ich, wie ich mich als Beobachter durch diese Theorie erkenne. Es geht also gerade nicht darum, den Beobachter als solchen, sondern darum, die systemtheoretischen Implikationen zu begreifen. Ich werde also in der bereits genannten Problemverschiebung erfahren, was ich systemtheoretisch repräsentiere, nicht was ich als Beobachter bin.


 
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