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Exkurs: "Offene Systeme"

Jenseits der Systemtheorie gibt es unzählige Auffassungen von "Systemen". Im Alltag wird sehr oft von "offenen Systemen" gesprochen, die auf Input in Form von Informationen oder Mitteilungen aus ihrer Umwelt reagieren und sich allenfalls adaptiv verhalten. Ich sehe drei Zusammenhänge, in welchen von offenen Systemen die Rede ist:

Eine erste Quelle der Idee von offenen Systemen ist quasi deren Negation. Die Thermodynamiker sprechen im Zusammenhang mit der Entropie von energetisch geschlossenen Systemen. In dieser Umgangssprache der Physiker steht des Ausdruck System für energetische Räume, die sie für lokale und universelle Wärmetodvorstellungen brauchen. Die Physiker postulieren, dass in energetisch geschlossenen Systemen jede Ordnung zerfällt. Die Erde etwa lebt von der Energie der Sonne, sie ist deshalb ein energetisch offenes System. Regelung spielt auf dieser Ebene der Theorie keine Rolle. Es geht ausschliesslich um "primäre" Energie.

Eine zweite Quelle der offenen Systeme ist die Systemlehre von L. von Bertalanffy. Anfänglich (ab 1928) schrieb der Biologe in Beiträgen zur Biologie über offene Systeme, später (während des 2. Weltkrieges) wechselte er den Focus und schrieb über Systeme in der Biologie, was er - im nationaldeutschen Sprachraum - zunächst Systemlehre nannte (Anmerkung 1). Erst im akademischen Wiederaufbau übernahm er den von den amerikanischen Siegern verwendeten Ausdruck "Theorie". Aber auch dann blieb er bei seinen "offenen Systemen", die er als biologische Organismen von artefaktischen Maschinen unterschieden hat. Er übte scharfe Kritik an der "mechanistischen" Kybernetik, die bewusst und explizit von Steuerung in Maschinen und Tier gesprochen hat.

L. von Bertalanffy schrieb: „Ein System ist dann geschlossen, wenn keinerlei stofflicher Träger von aussen eingeht oder es verlässt; es ist offen, wenn es zwischen ihm selbst und der Umwelt einen stofflichen Austausch gibt (...). Lebende Systeme sind immer offene Systeme, weil sie beständig einen Austausch von Elementen mit der Umwelt unterhalten und somit stets ihre einzelnen Komponenten neu aufbauen und wieder zerstören.“ L. von Bertalanffy beschreibt damit, was ein Lebewesen (aus)macht (Anmerkung 2). Mir ist eigentlich unklar, weshalb er dabei Lebewesen als Systeme bezeichnet, da er ja den Ausdruck Lebewesen und den Ausdruck Organismus zur Verfügung hatte, aber der Ausdruck "System" wird in der Philosophie und in der philosophisch angehauchten Naturwissenschaft eben sehr umfassend verwendet. Die Griechen meinten mit "systema" eine bewusst hergestellte Ordnung, wie sie in allen Artefakten und hypothetisch überall im Kosmos (also jenseits des Chaos) zu finden ist. In der westeuropäischen Philosophie wurde der Ausdruck System dann zunächst für hypothetische Konstruktionen - wie sie etwa G. Galilei in den Augen der Kirchenvertreter vorgeschlagen hat - verwendet. Später nannte man rationale Lehren insgesamt System, und schliesslich heissen in dieser Tradition Ordnungs-Lehren, wie sie C. von Linné begründet hat, noch heute "System". Ich verwende für diese Zusammenhänge den Ausdruck Systematik.
Ich glaube, dass L. von Bertalanffy den Ausdruck "System" in dieser systematischen Tradition verwendet hat, und deshalb sehr irritiert war, als die Kybernetiker den Ausdruck für eine ganz andere Sichtweise verwendeten (Anmerkung 3).

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Bei einem Mähdrescher gehen Benzin und Aehren rein, und Korn, Stroh und Abgase und Wärme kommen raus.

Die wesetlichen Begriffe der technologischen Systemtheorie fehlen bei L. von Bertalannfy. Er beschreibt keine Regelungsprozesse, die auf Information im Sinne von sekundärer Energie beruhen. Er beschreibt die Regulation als Fliessgleichgewichtsprozesse. In der Osmose etwa ist die Steuerung implizit und L. von Bertallanffy hat keine Explikation der Regelung gesehen. Seine Systeme nehmen Energie aus der Umwelt auf und geben sie Form von Wärme wieder ab.

Und schliesslich gibt es drittens den gesunden Menschenverstand, dem Systeme, die man von aussen steuern kann, viel mehr nützen, als Systeme, die sich mit sich selbst beschäftigen. Maschinen reagieren - jenseits aller Theorie - ganz offensichtlich auf die Steuerung des Benutzers der Maschine. Wenn ich bei einer Maschine auf den Startknopf drücke, kann ich das als Befehl an die Maschine auffassen, und die Maschine wird dann auf meine Mitteilung reagieren, wie der Soldat auf Befehle des Offiziers reagiert. Natürlich muss ich dem Soldaten und der Maschine Nahrung geben, ich muss ihnen aber auch mitteilen, wann sie wie operieren sollen. Sie müssen also für meine Befehle offen sein.

Die offenen Systeme werden oft als Input-Output-Systeme bezeichnet. Typischerweise werden etwa Computer als Input-Output-Systeme betrachtet. Diese Bezeichnung reflektiert die ersten kommerziellen Computer, bei welchen Karten eingelesen wurden und Resultate ausgedruckt wurden. Tastatur und Bildschirm neuerer Modelle werden einfach analog gesehen. Der Computer wird in dieser Vorstellung als behavioristische Blackbox gesehen, die eine mathematische Funktion x=f(y) repräsentiert.

In der Systemtheorie gibt es innerhalb des Systems Signale, die als Input für einzelne Teile des Systems gesehen werden könnten. Die Signale repräsentieren aber keine Umwelt, sondern gehören zur Funktionsweise des Systems. Als Input erscheint in der Systemtheorie allenfalls ein Signal, welches von einem Modulator an der Systemoberfläche (Systemgrenze stammt, also beispielsweise das Signal eines Thermometers in der thermostatengeregelten Heizung. Diese Rdeweise ist ambivalent, weil sie den Unterschied zwischen offen und geschlossen verschleiert.

Es gibt - auch jenseits der Systemtheorie - Diskussionen darüber, ob Systeme "an sich" offen oder geschlossen sind. In dieser Systemtheorie geht es nicht darum, ob Systeme offen sind, sondern darum, dass ich Systeme theoriegebunden unter der Perspektive eines konstruierenden Beobachter als operationell geschlossen auffasse. Das heisst, es geht um eine Sichtweise, die ich bewusst wählen oder nicht wählen kann. In der Systemtheorie mache ich - wie H. Ashby und N. Wiener - konstruktiv nur und ausschliesslich Aussagen über operationell geschlossene Systeme. In der mit Mechanismen denkenden Systemtheorie ist sachlogisch klar, dass Mechanismen durch Energie bewegt werden, die sie nicht selbst produzieren, von Perpetuum mobile war nur in extrem seltenen Ausnahmen die Rede. Die Systemtheorie behandelt die Steuerung der Energiekreise, nicht die Frage, woher die Energie kommt. Die Geschlossenheit bezieht sich also nicht auf Energie, sondern die Funktionsweise. Die operationelle Geschlossenheit entspricht einer bestimmten Perspektive, die für die Systemtheorie konstitutiv ist. Die operationelle Geschlossenheit ist kein Postulat über das Wesen von Lebewesen oder die Funktion von Maschinen, sondern Ausdruck einer bestimmten Perspektive.

Wenn ich einen bestimmten Energiefluss systemtheoretisch, also innerhalb eines Systems erfassen will, muss ich die Systemgrenze eben so legen, dass dieser Energiefluss im System ist.


Anweisungen:

Mach Dir die Beobachterpersektiven für operationell offene und operationell geschlossene Systeme bewusst.

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Wo steht der Beobachter, der ein offenes System sieht?


 

Beispiel:
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Metakommunikation

Ich werde bei der Erörterung des konsensuellen Bereiches auf die Unterscheidung "offen/geschlossen" zurückkommen und zeigen, inwiefern sich die beiden Perspektiven entsprechen.


 
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